Schon das kleinste Miteinander schafft großen Zusammenhalt

Emma Janelle UC Artigas koordiniert die Bildung und Fortbildung von Lehrkräften für das Staatssekretariat für Grundschulbildung, das zum Bildungsministerium von Veracruz, Mexiko, gehört. In der Pandemie erlebte sie im täglichen Kontakt mit Lehrkräften, wie diese unter den Folgen der Isolation litten, wie sie mit den neuen technischen Herausforderungen umgingen und es meisterten, in dieser neuen Situation weiterhin ihre Schülerinnen und Schüler zu erreichen.

Die COVID-19-Pandemie hat die Notwendigkeit digitaler Lehr- und Lernmaterialien für den Schulunterricht sichtbar wie nie zuvor gemacht. Laut UNESCO waren alleine in Lateinamerika rund 160 Millionen Schülerinnen und Schüler von Schulschließungen betroffen. Anlässlich des akuten Handlungsbedarfs hat sich die Siemens Stiftung mit Partnerinstitutionen und Bildungsministerien in Lateinamerika zusammengeschlossen und die Initiative MINT-Bildung für Innovation ins Leben gerufen. Mit der finanziellen Unterstützung von Siemens Caring Hands e. V. ist es gelungen, innovative Bildungsformate im MINT-Unterricht in sieben Ländern zur Verfügung zu stellen. In einer Interview-Reihe berichten Pädagoginnen und Pädagogen, was sich seither in ihrem Kindergarten- oder Schulalltag verändert hat.

MINT-Bildung für Innovation

Lernen Sie die 14 Projekte der lateinamerikaweiten Bildungsinitiative für die MINT-Fächer kennen.

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Emma Janelle UC Artigas hat seit Beginn der Pandemie zahlreiche Lehrkräfte begleitet. Sie erfuhr von Depressionen und Einsamkeit, von Überforderung, aber auch dem ungebrochenen Willen, weiterhin zu unterrichten. Und sie lernte, dass Plattformen wie CREA (Centro Recursos Educativos Abiertos), die im Rahmen der Bildungsinitiative MINT-Bildung für Innovation entsteht, das Leben im neuen Alltag der Lehrkräfte erleichtern können.

Experimento in Mexiko: Forschendes Lernen im Klassenverbund war im letzten Jahr unmöglich. Doch die Lehrkräfte fanden kreative Lösungen.
© Siemens Stiftung

Die COVID-19-Pandemie

Für mich gibt es einen klaren Schnitt zwischen meinen Erfahrungen vor und nach der Pandemie. Vorher habe ich Treffen mit den Lehrkräften organisiert, ich war das Bindeglied zwischen dem Bildungssekretariat und verschiedenen Fortbildungsprogrammen, die wir für Lehrkräfte anbieten. Ich habe vernetzt und vermittelt, um die passenden Schulungen, Workshops oder Veranstaltungen zu finden, die die berufliche Entwicklung der Lehrkräfte unterstützen.

Schon beim ersten virtuellen Treffen mit den Lehrkräften wurde mir klar, welche Auswirkungen die COVID-19-Pandemie haben würde. Ich war es gewohnt, jeden Tag von Angesicht zu Angesicht zu arbeiten und diese Veränderung war für alle Beteiligten sehr beunruhigend.

Die Lehrerinnen und Lehrer reagierten zunächst unterschiedlich. Die meisten dachten, die Pandemie sei bald vorbei, aber als sie merkten, dass sie noch viel länger andauern würde, verspürten sie Angst und Nervosität. Viele litten unter Depressionen. Manche haben Angehörige durch das Virus verloren. Das hatte einen sehr starken Einfluss auf ihr tägliches Leben. Ihre Leistung litt und der Stress beeinträchtigte ihre Gesundheit. Viele Lehrerinnen und Lehrer waren infiziert, während andere zu Hause eine schwierige Situation erlebten: Sie mussten die Verpflichtungen des normalen Alltags bewältigen, neben ihrer Arbeit und gleichzeitig in Isolation mit anderen Familienmitgliedern.

Viele litten unter Depressionen. Manche haben Angehörige durch das Virus verloren.

Veränderungen im Bildungssystem

Unser Bildungssystem war nicht bereit, eine solche Situation zu bewältigen. Also mussten wir Änderungen vornehmen, sehr schnelle Änderungen, die sich auf die Situation der Lehrkräfte auswirkten.

Glücklicherweise kamen einige Lehrerinnen und Lehrer mit den neuen technischen Anforderungen besser zurecht.

 Sie fingen an, sich mit der Technologie vertraut zu machen, Tools und Apps zu nutzen und Programme zur Verbesserung des Unterrichts einzusetzen. Glücklicherweise kamen einige Lehrerinnen und Lehrer mit den neuen technischen Anforderungen besser zurecht. Aber auch das geschah nach und nach, Schritt für Schritt – nicht über Nacht. Es war auch keine homogene Erfahrung für alle.

Nicht alle Technologien standen allen Lehrkräften zur Verfügung, ebenso wenig wie ihren Schülerinnen und Schülern.

Bemerkenswert fand ich, dass sich die Lehrkräfte – obwohl sie selbst unter den Auswirkungen der Pandemie litten – in erster Linie Gedanken darüber machten, wie sie unter diesen neuen Umständen unterrichten konnten. Wie sie ihre Schülerinnen und Schüler erreichen und unterstützen können. Selbst in der schlimmsten Situation fragten sie: Wie kann ich mit meiner Klasse in Kontakt bleiben? Was können wir tun, damit sie alle in dieser neuen Umgebung lernen können?

Unterstützung

Die Umstände haben gezeigt, dass es keine Rolle spielt, ob man einen Doktortitel oder einen Masterabschluss hat oder im Lehramt tätig ist – alle sind betroffen. Ein mentales Gleichgewicht ist nicht leicht zu halten, weil man Unterstützung braucht, um die Herausforderungen bei der Arbeit zu bewältigen, die nun auch zu Hause stattfindet. Was die Lehrerinnen und Lehrer meiner Erfahrung nach am meisten benötigen, ist, ohne Zweifel, emotionale Unterstützung und emotionale Intelligenz für den Umgang mit ihren Schülern.

Einige fühlten sich von all den Webinaren, Ressourcen und Apps überfordert.

Das Hauptanliegen der Lehrkräfte war deshalb nicht unbedingt mehr Lehrmaterial – im Gegenteil, einige fühlten sich von all den Webinaren, Ressourcen und Apps überfordert. Die Frage war vielmehr: Wie und wann schaffe ich es, die ganzen Tools und Inhalte durchzusehen, die online verfügbar sind? Die Lehrerinnen und Lehrer waren zu erschöpft, eine Auswahl in dieser ohnehin schon schwierigen Alltagssituation zu treffen.

Keine leichte Aufgabe: Die richtigen Materialien zu finden, mit denen man Schülerinnen und Schüler auch im Distanzunterricht motiviert und ihre Neugier weckt.
© Siemens Stiftung

In Anbetracht der Tatsache, dass es so viele Tools und Bildungsressourcen im Internet gibt, ist es entscheidend, eine Strategie zu haben, um diejenigen Ressourcen zu sammeln und zu fokussieren, die auf die Grundschulausbildung ausgerichtet sind. Die Organisation dieser Tools, die Auswahl der Inhalte, um das Beste für den Unterricht eines bestimmten Themas zusammenzustellen – das wird benötigt. Und Bildungsmedien speziell für den Schuleinsatz. Einfache Such- und Auswahlprozesse sowie unkomplizierte Zugänge zu den Inhalten würden die Lehrkräfte dabei unterstützen, die Lernziele ihrer Schülerinnen und Schüler zu erreichen.

Die OER-Plattform CREA, kurz für Centro Recursos Educativos Abiertos, ist in dieser Hinsicht eine fantastische Hilfestellung. Sie ermöglicht, dass die Lehrkräfte ihre Zeit nicht mit der Suche im Internet verschwenden. An einem zentralen Ort gebündelt, finden sie eine Fülle an Ressourcen und Themen, um ihren Unterricht gestalten zu können. Ein exzellentes und sinnvolles Arbeitsmittel für Lehrkräfte.

Centro Recursos Educativos Abiertos

CREA versammelt eine Fülle didaktischen Materials für den MINT-Unterricht.

Materialien ansehen

Andauernde Krise

Die Pandemie ist nicht vorbei, sie ist immer noch präsent. Doch in der Krise können wir wachsen. Dieses Jahr war ein Jahr des neuen Lernens, der neuen Erfahrungen – sowohl in beruflichen als auch in emotionalen Aspekten unseres Lebens. Die Virtualität bietet neue Möglichkeiten, mit den Lehrkräften zu interagieren und sie in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen. Natürlich ist die sozio-emotionale Beziehung untereinander entscheidend, uns fehlen der Kontakt mit Menschen und die vielen Emotionen, die den normalen Schulalltag ausmachen.

Wie können wir alle dazu beitragen, in einem so schwierigen Umfeld den Austausch untereinander voranzutreiben?

Wie können wir unter den neuen Bedingungen mit anderen zusammenarbeiten und ein Gefühl der Verantwortung, der Einheit in unserer Gesellschaft entwickeln? Wie können wir alle dazu beitragen, in einem so schwierigen Umfeld den Austausch untereinander voranzutreiben? Das sind die Fragen, die uns weiterhin beschäftigen.

Eine Antwort haben wir schon: In einer Situation, in der wir physisch isoliert sind, geben uns die neuen Plattformen und Netzwerke die Möglichkeit, kollaborativ zu arbeiten, uns zu organisieren und Materialien zu fokussieren. Und somit letztlich die Lehrkräfte zu entlasten.

September 2021

MINT-Bildung für Innovation

Gemeinsam mit Partner*innen in Chile, Kolumbien, Mexiko, Argentinien, Peru, Brasilien und Ecuador adaptieren wir MINT-Lehr- und -Lerninhalte für den digitalen Einsatz im Unterricht. Siemens Caring Hands e. V. und das Auswärtige Amt unterstützen die Initiative.

Leitung Regionalbüro Lateinamerika
Ulrike Wahl​