»Wir führen all die Informationen zusammen, die bisher nur verstreut im Internet zu finden waren.«

Eddie Hatitye, Direktor der Initiative Music In Africa

Ein Wegweiser durch die Musik Afrikas

Music In Africa wächst rasant: 2013 ging die Informations- und Vernetzungsplattform online, heute erreicht sie bereits jährlich Millionen von Menschen. Als Non-Profit-Initiative dient sie Interessierten als Wegweiser, macht Musik aus Afrika weltweit bekannter und fördert die Kooperation zwischen Künstlern auf internationalem Niveau. Der simbabwische Kulturmanager und Musikproduzent Eddie Hatitye ist Direktor der Initiative. In diesem Interview spricht er über seine Erfahrungen, das bisher Erreichte und seine Pläne für die Zukunft.

Herr Hatitye, Music In Africa ist inzwischen vermutlich das größte Musiknetzwerk Afrikas. Hätte Sie sich dies vor fünf Jahren vorstellen können?

Ja, tatsächlich! Schon zu Beginn unserer Arbeit war klar, dass viele Menschen im Musikbereich auf diese Art von Initiative gewartet haben. Schauen Sie sich den Kontinent an: Es gibt dort mehr als eine Milliarde Menschen und extrem unterschiedliche Musiktraditionen. Nie zuvor hat jemand versucht, diese unterschiedlichen Segmente zusammenzubringen. Die letzten Jahre haben wir konsequent in den Ausbau der Seite investiert – und jetzt ist es natürlich schön zu sehen, dass unsere Zielgruppen tatsächlich positiv reagieren.

Music In Africa lädt dazu ein, die Musik des ganzen Kontinents kennen und schätzen zu lernen.
© Siemens Stiftung

Was ist bisher auf der Webseite zu finden?

Derzeit gibt es vier Hauptbereiche: Im Bereich „Artist & Industry“ finden Sie Tausende von Fachleuten – Musiker, Geldgeber, Plattenfirmen, Manager und Verlage – und können mit ihnen in Kontakt treten; der Magazinbereich bietet Nachrichten, Übersichtsdarstellungen über afrikanische Musikszenen, Artikel, Rezensionen und Veranstaltungshinweise; außerdem gibt es noch einen Wissensteil mit praktischen Tools für Musikprofis und einen Bildungsteil mit hochwertigen Tutorials und anderen Weiterbildungsinhalten. Erst kürzlich haben wir Musik-Streaming eingeführt. Dabei bedienen wir uns eines cleveren technologischen Kniffs: Wir hosten keine Musik auf unseren Servern. Stattdessen haben wir es geschafft, Tools zu entwickeln, die es Musikern ermöglichen, ihre Musik von bereits bestehenden legalen Plattformen zu synchronisieren. So können unsere Besucher Audio und Video problemlos streamen. Neben dem umfassenden Wissen, das kostenlos auf dem Portal zugänglich ist, wird Music In Africa aber immer mehr auch zu einem Mittel für afrikanische Musiker, um ihre Karriere zu fördern und neue Fans zu gewinnen.

Sind diese Informationen nicht schon bereits anderswo verfügbar?

Ja und nein. Man findet im Internet eine Menge Informationen über Musik aus Afrika, doch vieles davon stimmt nicht. Das wollen wir mit dem Portal ändern. Jedes Detail auf unserer Webseite wird von uns vor der Veröffentlichung überprüft. Dafür arbeiten wir mit Fachleuten zusammen. Wir investieren weiterhin sehr viel in erfahrene Forscher und Autoren. Und das zahlt sich aus, wie die Qualität der Informationen auf dem Portal zeigt. Um es etwas anschaulicher zu machen: Stellen Sie sich vor, Sie sind unterwegs in einer Stadt und beschaffen sich vorab Informationen, suchen Tipps und Erfahrungsberichte. Unsere Plattform bietet einen solchen Service aus der Perspektive der Musik. Wir führen all die Informationen zusammen, die bisher nur verstreut im Internet zu finden waren.

Wer erstellt die Inhalte?

Wir haben ein eigenes Team mit Redakteuren in Süd-, Ost-, West- und Zentralafrika. Darüber hinaus beauftragen wir sachkundige Personen – Forscher, Musikpädagogen und Journalisten. Interessant ist auch, dass nutzergenerierte Inhalte in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben, da Künstler einen echten Mehrwert in der Aufnahme ihrer Inhalte in das Portal sehen. Inzwischen haben wir 18.000 Musikerprofile und über 50.000 Accounts von Musikfans. Und es gibt über 200.000 Songs zu hören, die die Künstler selbst hinzugefügt haben.

Der Ansatz, die User in die Gestaltung der Plattform einzubeziehen, ist sehr interessant. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Technologie?

Hier gibt es zwei Aspekte: Aus Entwicklungsperspektive war es wichtig, eine Plattform zu schaffen, die sich für die sehr unterschiedlichen Märkte in Afrika eignet. Die Qualität der Internetverbindung schwankt von Land zu Land und nicht alle Menschen besitzen ein Smartphone. Doch beim Thema Musik gibt es natürlich noch einen anderen, viel wichtigeren Aspekt: Auf der ganzen Welt haben Internet und Technologie einen immer größeren Einfluss auf die Musik. Und es hat unzählige Diskussionen gegeben, ob dies nun gut oder schlecht ist. Ich denke, im Allgemeinen werden viele Musiker wohl sagen: „Manchmal wünschten wir uns, es hätte das Internet nie gegeben“, denn durch das Internet hat sich die Art, Musik zu erwerben und zu hören, völlig verändert. Es hat eine ganz neue Art Musiker geschaffen. Doch das ist genau der Grund, weshalb wir diese Art von Plattform benötigen. Um Musiker zu unterstützen, neue Fans anzusprechen, ein größeres Publikum zu erreichen und Teil nachhaltiger Netzwerke zu werden. Mit Veranstaltungen, Live-Auftritten und all diesen Dingen ist Geld zu verdienen – doch ohne die nötigen Informationen kommt niemand zu den Konzerten. Die Technologie ist nun einmal da – und wir wollen das Beste daraus machen.

Heißt das, die Technologie hat die Einstellung der Musiker verändert?

Ich habe bislang noch keinen einzigen Musiker getroffen, der nicht darüber nachgedacht hat, wie man die verfügbaren Technologien nutzen kann. Die digitalen Möglichkeiten haben sicherlich die Einstellung der Musiker verändert. Music In Africa ist da nur eine von vielen großartigen Möglichkeiten, die Musikern heute zur Verfügung stehen. Und es freut mich, dass Musiker beginnen zu verstehen, wie wichtig es ist, starke Online-Identitäten aufzubauen. Denn es geht nicht nur um die Musik, sondern auch um den Inhalt und den Kontext. Hier spielen wir eine wichtige Rolle, afrikanische Musiker zu unterstützen –  und ich denke, dass noch mehr Veränderungen vor uns liegen.

Ein Online-Portal aufzubauen ist eine Sache, aber eine Community die andere. Wie haben Sie es geschafft, das Portal bekannt zu machen?

Der Anfang war etwas schwierig, aber jetzt befinden wir uns jetzt in einem anderen Stadium. In der Regel finden wir mehr Leute, die mit uns arbeiten wollen und uns jeden Tag Vorschläge schicken. Wichtig ist auch zu wissen, dass Music In Africa in seiner Struktur sehr integrativ und in Teamarbeit entwickelt wurde. Wir haben mit über 200 Musikprofis aus der ganzen Welt zusammengearbeitet, die auf verschiedene Weise Beiträge leisteten; auch heute sind die meisten von ihnen der Initiative noch sehr treu. Inzwischen haben wir über 45 wichtige Partner auf der ganzen Welt, darunter Medienhäuser, Festivals, Verbände, NGOs, Plattenfirmen und viele andere. Das gibt uns mehr Perspektiven und Präsenz. Wir haben jetzt über 25.000 Menschen in unserer Mailingliste und sehr starke Social Media-Kanäle mit hunderttausenden von Followern.

Was steht im Moment im Fokus Ihrer Arbeit?

Unser strategischer Plan für die nächsten fünf Jahre ist es, die Reichweite unserer Arbeit zu erhöhen, indem wir unsere Forschung auf alle afrikanischen Länder ausdehnen. Dies sollte bis 2022 abgeschlossen sein. Wir planen dieses Jahr auch die Eröffnung unseres ersten Büros in Nordafrika, in Marokko. Noch wichtiger ist für uns jedoch, dass wir unsere Offline-Programme erweitern, zum Beispiel mit der Einführung eines Förderprogramms, das die Mobilität von Musikern auf dem gesamten Kontinent ermöglicht oder eines Instrumentenbau- und Reparaturprogramms. Unsere pan-afrikanische Konferenz ACCES wird in diesem Jahr in Ghana stattfinden. All dies steht im Einklang mit unserer Strategie, unsere Finanzierungsbasis zu diversifizieren und unabhängiger zu sein. Und wie Sie sich vorstellen können, gibt es Verbesserungsmöglichkeiten am Portal und unserer Arbeit im Allgemeinen. Die Musikindustrie in Afrika entwickelt sich rasant, und das bedeutet, dass wir unsere Funktionalitäten und Inhaltsstrategien ständig aktualisieren müssen.

Was wünschen Sie sich für die künftige Entwicklung der Plattform?

Dass Music In Africa die erste Anlaufstelle für all jene wird, die Fragen zu Musik In Afrika haben. Dabei möchten wir nicht einfach nur ein Portal sein, sondern mit einem starken B2B-Aspekt nachhaltig zur Kreativwirtschaft in Afrika beitragen.

Vielen Dank, Herr Hatitye! Wir wünschen Ihnen und Music In Africa viel Erfolg.

April 2019