»Die Kinder hatten richtig Spaß.«

Jörg Haas, Physik- und Mathematiklehrer am Jakob-Fugger-Gymnasium in Augsburg

MINTegration – Ein MINT-Bildungsprojekt für Übergangsklassen

Experimentieren und dabei ins Gespräch kommen: So lautet das Ziel von MINTegration, einer naturwissenschaftlichen Workshopreihe für geflüchtete Kinder am Jakob-Fugger-Gymnasium in Augsburg. Mit seinem schularten- und fächerübergreifenden Projekt betrat Physik- und Mathematiklehrer Jörg Haas Neuland.

Ein MINT-Bildungsprojekt für geflüchtete Kinder – wie kamen Sie auf die Idee?

Die Siemens Stiftung hatte MINT-EC-Schulen angeboten, sie bei der Integration von Flüchtlingskindern zu unterstützen. In den Übergangsklassen der Grundschulen in Bayern werden die Kinder intensiv in Deutsch unterrichtet. Die Naturwissenschaften fehlen da nahezu komplett. Ich wollte den Schülern einfach die Gelegenheit geben, in die Naturwissenschaften hinein zu schnuppern.

Wie liefen die Workshops ab?

Die Workshops waren pro Übergangsklasse auf vier Nachmittage verteilt. Als erstes haben wir gemeinsam in der Mensa zu Mittag gegessen. Gestartet haben wir dann immer mit einem Spiel – da wurde am Anfang schon viel gelacht. Dann ging es mit den Experimenten los. Anschließend mussten die Kinder mit Hilfe ihrer Tutoren die Ergebnisse auf Arbeitsblättern festhalten.

Worin sehen Sie das Potenzial naturwissen-
schaftlich-technischer Bildung für die Integration von Geflüchteten?

Unser Projekt hatte das Ziel, über die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Phänomenen den Spracherwerb zu festigen. Ganz nebenbei wollten wir den geflüchteten Kindern auch das Jakob-Fugger-Gymnasium Augsburg als Beispiel für eine weiterführende Schule zeigen, die als Bildungsziel das Abitur hat. Ein Großteil unserer Tutoren besitzt selbst einen Migrationshintergrund – sie waren für die Grundschüler tolle Vorbilder gelungener Integration.

Welche Experimente haben die Kinder kennengelernt?

Wir haben zu Themen wie Körper und Sinneswahrnehmungen, Stromkreis und Energie, Wasser und Filterung experimentiert. Dazu gehörten etwa die Zitronenbatterie, das Richtungshören, Leiter und Nichtleiter oder das Filtern von Wasser. Die Versuche stammten zum Großteil aus dem Experimento-Kasten der Siemens Stiftung.

Wie sah das sprachsensible Unterrichtsmaterial aus?

Wir hatten jeweils ein Vokabelblatt mit Fotos und den passenden Fachwörtern auf Deutsch, jeweils in der Einzahl und im Plural und mit dem dazugehörigen Begleiter. So lernen die Kinder die Wörter gleich vollständig. Zu jedem Wort mussten die Kinder einen Satz schreiben.

Kam das Projekt bei den Schülern gut an?

Viele der Grundschüler waren noch nie mit der experimentellen Herangehensweise an Naturwissenschaften in Berührung gekommen. Für sie war es ein überraschender Effekt, dass man etwa mit einer Zitrone ein Lämpchen zum Leuchten bringen kann. Das hat den Kindern gefallen.

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Hört, hört: Beim „Richtungshören“ lernt Victoria, dass unser Gehirn bestimmte Geräusche filtern kann.
© Siemens Stiftung, Fotograf*in: Sebastian Isacu

Sie konnten also das Interesse der Kinder an den Naturwissen
schaften wecken!

In jedem Fall haben wir die Lust am Experimentieren geweckt. Wir haben gespürt, dass die Kinder richtig Spaß hatten und immer wieder gerne gekommen sind.

Hat Sie das Projekt auch persönlich weitergebracht?

Wir hatten rund zehn verschiedene Sprachen hier vertreten, die ich zum Teil noch nicht kannte. Meine Fächer „sprachsensibel“ zu unterrichten, war für mich ebenfalls neu. Mein persönliches Highlight bestand aber darin, zu sehen, mit welcher Empathie unsere Tutoren mit den Kindern umgehen. Sie haben beim Experimentieren zusammen gelacht und hatten Spaß. Das war sehr ergreifend.

Planen Sie eine Fortsetzung des Projektes?

Im zweiten Halbjahr werden wir noch eine Workshopreihe anbieten. Ab September ist am Lehrstuhl für Physikdidaktik der Universität Augsburg ein Seminar zu unserem Projekt geplant. Darin sollen Schüler die Rolle des Lehrers übernehmen. Die Methode heißt „Lernen durch Lehren“.

Würden Sie Ihr Konzept auch mit anderen Interessenten teilen?

Selbstverständlich! Unser Konzept geben wir gerne an andere Schulen weiter. Die Materialien liegen in editierbaren Versionen vor, die auch einfach angepasst werden können. Man könnte also sofort loslegen!

April 2018